Fieseler Fi 103 - Geschichte
Historische Betrachtung
Ausgangspunkt der Entwicklung der Fieseler Fi 103 war die im Herbst/Winter 1940/41 verlorene Luftschlacht über
England, die Beanspruchung der Bomberkräfte der Luftwaffe an allen Fronten sowie das Fehlen eines Fernbombers,
der sich gegen die in England aufgebaute Luftabwehr behaupten konnte. Weiterhin war es auch nicht möglich, den
im Einsatz befindlichen Bomberkräften einen ausreichenden Jagdschutz mit genügender Reichweite beizugeben.
Der immer fühlbarer werdende Engpass an Material, Kraftstoff und fliegenden Besatzungen ließen technische Kreise
der Luftwaffenführung und Luftwaffenentwicklung bald über die notwendige radikale Abkehr von den üblichen
Methoden und Formen des üblichen Bombenflugwesens nachdenken.
Auf Grundlage der Entwicklungen von Gleitbomben, wie GB 4, Fritz X, Bv 143 und Hs 293, entstand 1942 eine
angetriebene, selbstgesteuerte Fernbombe, die für einen Bruchteil des Aufwandes für ein Bombenflugzeug und
seiner Besatzung, dessen Einsatz und Wartung in der Lage war, eine ausreichende Menge Sprengstoff über eine
strategisch brauchbare Entfernung in ein vorgegebenes Flächenziel zu bringen. Damit war der Grundgedanke der
heutigen modernen Marschflugkörper geboren. Die Fi 103 war eine Gemeinschaftsentwicklung der Firmen Fieseler
Flugzeugwerke Kassel (Zelle), der Askania-Werke Berlin (pneumatische Steuerung) und der Argus-Motoren-Werke
Brandenburg (Schmidt-Argusrohr).
Die Konstruktion entstand im Frühjahr 1942, bereits im Herbst 1942 wurden in Peenemünde die ersten
Versuchsstarts, zunächst vom Flugzeug aus, erfolgreich durchgeführt (Abwurf). Gleichzeitig entstand in
Peenemünde die erste Schleuderanlage zum Start des Flugkörpers vom Boden aus. Zunächst eine betonierte
Borsigschleuder, da die hier zum Start benötigten Pulverraketen als zu aufwendig und unwirtschaftlich betrachtet
wurden, sind diese Anlagen für den Truppeneinsatz abgelehnt worden. Weihnachten 1942 gelang der erste
erfolgreiche Schleuderstart. In Zusammenarbeit mit der Firma Walter Kiel und der Maschinenfabrik Esslingen wurde
daraufhin eine Rohrkatapultanlage entwickelt, die sich bewährte. Diese bestand aus einem geschlitzten Rohr, in dem
ein Kolben durch Dampfentwicklung infolge der Zersetzung von hochprozentigem Wasserstoffsuperoxid, unter
Einwirkung eines Katalysators, bewegt wurde. Dieser Kolben nahm, über eine durch den Schlitz ragende Nase, den
zu beschleunigenden Flugkörper mit. Der Schlitz wurde durch den im Rohr gleitenden Kolben mittels eines
Dichtrohres abgedeckt.
Ähnliche Schleuderanlagen wurden in den 1950er-Jahren auf dem englischen Flugzeugträger "Eagle" und dem
amerikanischen Flugzeugträger "Forestal" eingebaut. Die Fi 103 wurde auf der Schleuderanlage innerhalb von 18 m
auf 360 km/h beschleunigt. Mit einer zunächst gleich bleibenden Geschwindigkeit stieg der Flugkörper auf eine
barometrisch eingestellte Höhe (bis zu 3000 m). In der vorgegebenen Sollflughöhe ging der Flugkörper in den
Horizontalflug über und beschleunigte auf 580 bis 600 km/h. Der in der Spitze untergebrachte Kompass überwachte
die Kreiselsteuerung. Das Luftlog überwachte und maß die zurückgelegte Wegstrecke. Nach Ablauf der
vorgegebenen Strecke wurde das Höhenruder auf Sturz verstellt und gleichzeitig das Triebwerk abgestellt. Man
rechnete mit einer Treffgenauigkeit von etwa 4x4Kilometer bei einer Flugentfernung bis zu 250 km. Gleichzeitig mit
der Erprobung lief die Aufstellung des Lehr- und Erprobungskommandos Wachtel, das die militärische Erprobung
durchführte. Diese Ausbildung erfolgte in Zempin auf Usedom. Aus dieser Einheit wurde am 23. August 1943 das
Flakregiment 155 (W) gebildet.
Weiterhin lief gleichzeitig die weitläufige Einsatzvorbereitung durch Aufbau einer besonderen Transport-,
Nachschub- und Wetterdienstorganisation. Der Ausbau von festen und unterirdischen Bunkerbauten
(Großstellungen) und von 96, zum Teil verlegbaren, Feldstellungen längs der Kanalküste zwischen Cherburg bis
Calais. Hierfür wurden bis zu 35.000 Bauarbeiter eingesetzt. Am 13. Juni 1944 begann der erste Einsatz der Fi 103.
Gefertigt wurden etwa 32.000 Fi 103. Letzte Einsätze erfolgten aus dem Eifelraum und westlich der Weser im März
1945.
Derzeitige Ausgangslange der Restaurierung
Fertig gestellt sind zur Zeit die Tankraumgruppe, der Gefechtskopf, die Nutzlastspitze mit Kompasskugel sowie die
Tragflächen. Das Heckteil mit Seitenleitwerk befindet sich im Aufbau. Die weiteren Baugruppen, wie Höhenruder mit
Rudermaschinen, Argusrohr mit Stützgabel und Stützrohr, Heckteil, Regler und Kreiselplattform sowie KS-Leitungen
und Pressluftleitungen, sind auf Grund der durchgeführten Bergungen in Nordhausen-Dora vorhanden. Diese haben
aber noch einen hohen Restaurationsaufwand.
Fehlteile:
Bugspitze
- Restauration durch Klaus Schlingmann, Berlin
Zählwerk
- Restauration durch Herrn Siegmund, Peenemünde
Klappenregister
- Restauration durch Klaus Schlingmann, Berlin
Kabelschacht
- noch nicht geklärt
Text:
- Lothar Nürnberg
Bildlegenden:
- Uwe W. Jack
Abbildungen:
- Mit freundlicher Genehmigung des Militärhistorischen Museums - Flugplatz Gatow
und Sammlung Uwe W. Jack
Zur Montage der Tragflächen wird der Rohrholm durch den Rumpftank gesteckt, die
Flügel werden aufgeschoben und arretiert.
In Peenemünde wartet ein Versuchsmuster der Fi 103 auf den Start. Beachtenswert ist
die vordere Gabel für das Schubrohr, die hier noch außerhalb der aerodynamischen
Haube liegt.
Gleich verlässt eine Fi 103 die Startrampe. Der Kolben dichtet das Rohr nicht vollständig
ab, er gleitet zur Verminderung der Reibung auf einer Dampfschicht, so schießt schon
eine Dampfwolke vor dem Kolben aus dem Rampenende. Der Kolben lässt auf seinem
Weg durch das Rohr auch etwas Dampf durch den Schlitz austreten, daher die
Rauchentwicklung hinter der Flugbombe.